Sonntag, 1. September 2013

Syrien vor der Eskalation (August 2013)


Am 29.8. traf sich auf Einladung der UNESCO in Paris eine Expertenrunde (mit Vertretern von ICCROM, ICOM; ICOMOS; Interpol, EU, WCO), um über die Lage in Syrien zu beraten.

 Ein auf der Tagung aufgezeichneter Appell der UNESCO steht als Video auf youtube:
Irina Bokova, Generaldirektorin der UNESCO betont, dass es nicht um die Wahl zwischen humanitärer Hilfe und Bemühungen um das Kulturerbe geht, sondern dass der Kulturgüterschutz elementarer Bestandteil der humanitären Katastrophe ist. Die Vergangenheit ist eine wesentliche Grundlage für einen Wiederaufbau und eine Gesellschaft nach dem Konflikt.

Syrian Civil War
Bürgerkrieg in Syrien - ungefähre Situation August 2013
Städte unter Kontrolle regierungstreuer Kräfte
unter Kontrolle von Assad-Gegnern
unter Kontrolle
kurdischer Gruppen
umkämpft/ unklare Situation
(Karte nach Wikipedia [CC BY-SA 3.0])
Angesichts der Giftgaseinsätze und der Gefahren eines internationalen Eingreifens ist Syrien wieder stärker in das Blickfeld der Medien gerückt, doch sind es - wie in Ägypten - nach wie vor allem die sozialen Netzwerke, die über die Zerstörung von Kulturgütern berichten.

fortgesetztes Bombardement
Von verschiedenen Stätten wird wieder Artilleriebeschuss gemeldet, so aus Palmyra, 3.8.2013:
    Der Krak de Chevaliers wurde am 18.8.2013 erneut angegriffen:
    • https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=xFQd_q2-R5c
    Bilder der Zerstörungen der Großen Moschee aus Idlib:  
    Schon vom Mai des Jahres beschäftigte sich der Beitrag von Abigail Hauslohner / Ahmed Ramadan, Syria’s strategic medieval treasures may be casualties of war. The Seattle Times 5.5.2013 mit den Bombardierungen mittelalterlicher Befestigungen.
      Plünderungen
      Die Süddeutsche Zeitung greift am 30.8. das Thema der Plünderungen auf und bezieht sich auf die UNESCO-Tagung in Paris. Hier wurde eine Einschätzung der Lage versucht: "Gravierender noch als die Kriegsschäden und selbst als der ideologisch motivierte Vandalismus ist das, was durch Kunstraub und Raubgrabungen quer durchs Land angerichtet wird." Die Plünderungen werden demnach von gut organisierten und stark bewaffneten Banden durchgeführt. Sie agieren offenbar vor allem in der Gegend von Apameia. Genannt werden weiterhin Raubgrabungen in der Umgebung von Deraa, auf dem Tell Achaari  im Yarmouk-Tal und auf dem Tell Qaramel im Bezirk Aleppo, der auf der Suche nach Wertvollem mit Baggern geradezu umgepflügt würde.
      Aktuell berichten verschiedene Internet-Quellen über Plünderungen an mehreren Orten:  

      In Tabqah hat die al-Eza Lllah Brigade bei Kontrollen drei Kisten mit archäologischen Funden sichergestellt und dem Museum in Raqqah übergeben, das in einem Gebiet liegt, das von der Freien Armee kontrolliert wird.

      Zur Situation im Museum Raqqah:
      Laut SZ-Bericht zur Pariser Tagung ist die Lage der Museumsbestände "insgesamt nicht allzu beunruhigend, da sie vom Personal rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurden." Gerüchte von Kollegen besagen, dass viele Museumsgüter ins Ausland, insbesondere in andere arabische Staaten gebracht worden seien. Das birgt ein hohes Risiko, dass Funde in dunklen Kanälen versickern. Hier wird aber erst nach Ende des Konfliktes eine seriöse Bilanz möglich sein. Anders als im ägyptischen Mallawi, wo - abgesehen von einigen wenigen sichergestellten Objekten - im Prinzip das gesamte Inventar zur Fahndung ausgeschrieben werden kann, ist das in Syrien nicht möglich.
      Auf der Pariser Tagung wurde darauf hingewiesen, dass nach den Erfahrungen aus Irak und Afghanistan die Unesco ihren Umgang mit solchen Situationen habe verbessern können. Listen geplünderter Güter würden inzwischen recht schnell erstellt. Leider ergibt sich aus den Berichten zur Tagung kein Hinweis darauf, wie man mit der großen Masse von Plünderungsgut umgehen möchte, das nie in konkreten Listen auftauchen kann und was man gegen die Zerstörung von Fundstellen unternehmen könnte. Hier - wie auch in Ägypten - wird deutlich, dass ein Schutz vor Ort zur Zeit kaum möglich ist. Die einzige Chance ist doch offenbar die effektive Unterbindung des illegalen Handels, indem für jedes einzelne Objekt klare Provenienzen gefordert werden, die etwas konkreter sind als die ominösen "alten Sammlungen", die in fast allen Auktionskatalogen ins Auge fallen.

      Links

      Monatliche Zusammenstellungen wichtiger Meldungen aus Syrien auf Archaeologik:
      Änderungsvermerk (4.9.2013):
      Pressemeldung der UNESCO v. 29.8.13 ergänzt, auf der der fb-Eintrag von 'Protects Syrian Archaeology beruht.

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